Isolde Ries, Berichterstatterin des Europäischen Ausschusses der Regionen (AdR) zu den Herausforderungen für den EU-Stahlsektor und Vizepräsidentin des Landtags des Saarlandes, hat sich am heutigen Donnerstag bei der AdR-Plenartagung in Brüssel erneut für die außenhandels- und klimaschutzpolitischen Belange der heimischen Stahlindustrie eingesetzt:
„Die Stahlbranche ist mit 500 Produktionsstätten in 24 Mitgliedstaaten, 320.000 direkten Beschäftigten und Jahresumsätzen von rund 170 Mrd. Euro ein strategischer Faktor und Innovationstreiber in der EU. Vor drei Jahren hat der Europäische Ausschuss der Regionen seine Stellungnahme zur Erhaltung von dauerhaften Arbeitsplätzen und nachhaltigem Wachstum im Stahlsektor verabschiedet. Die Regionen mit Stahlstandorten haben auf dieser Basis zahlreiche Vorstöße bei ihren nationalen Regierungen, der EU-Kommission und dem EU-Parlament unternommen, die bei den laufenden Rechtsetzungsvorhaben der EU zu erkennbaren Fortschritten führten. Dieses Engagement müssen wir konsequent und beherzt fortsetzen.“
Ries wies in ihrer Rede darauf hin, dass die EU als Antwort auf die Stahlzölle der USA vorläufige und endgültige Schutzklausel-Maßnahmen für Stahlimporte aus Drittstaaten eingeführt habe. Die bis Juli 2021 reichenden Zollkontingente böten ein Stück weit Planungssicherheit. Sowohl die Ausgangsbasis als auch die Erhöhungen der Kontingente seien allerdings zu großzügig bemessen. Es sei daher zweifelhaft, ob die Maßnahmen angesichts der abflachenden Konjunktur einen ausreichenden Schutz gegen die steigenden Handelsumlenkungen im Stahlsektor bieten können. Die EU-Kommission müsse die Stahlnachfrage weiter sorgfältig beobachten und die Zollkontingente im Rahmen der Überprüfungsklausel adäquat anpassen.
Die novellierte EU-Emissionshandelsrichtlinie für die 4. Handelsperiode 2021 bis 2030 weist mit Blick auf die Absicherung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Stahlbranche gravierende Mängel auf, so dass bei der in den nächsten Jahren anstehenden Umsetzung auf europäischer und nationaler Ebene noch etliche Nachbesserungen erforderlich sind. So müssen zum Beispiel die Abzugsraten für die Produktbenchmarks technisch sachgerecht festgelegt werden. Das Instrument der Strompreiskompensation muss über 2020 hinaus ohne Einschränkungen fortgeschrieben werden, um die energetische Verwertung der Kuppelgase der Stahlindustrie im Ergebnis nicht mit Mehrkosten zu belasten.
Aufmerksam begleitet werden muss auch die im November 2018 von der EU-Kommission vorgelegte Langfriststrategie für eine quasi klimaneutrale Wirtschaft. Diese hat das europäische Klimaziel, bis 2050 die Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 Prozent zu reduzieren, in verschiedenen Szenarien nochmals verschärft. Grundstoffindustrien wie die Stahlbranche wären dann gezwungen, ihre Anlagen und Prozesse komplett auf erneuerbare Energien, Wasserstofftechnologien, CO2-Speicherung oder stoffliche CO2-Nutzung umzustellen.
Entsprechende Projekte sind derzeit erst im Forschungs- und Entwicklungsstadium, benötigen also bis zur großmaßstäblichen Umsetzung noch eines erheblichen, jahrzehntelangen Vorlaufs. Ries abschließend: „Die EU-Kommission muss deshalb passgenaue Förderprogramme mit bedarfsgerechter Finanzausstattung auf den Weg bringen, so zum Beispiel den ETS-Innovationsfonds oder das Rahmenprogramm „Horizon Europe“.“