Progressive Jugendpolitik in Wien | Interview mit der Gemeinderätin und Landtagsabgeordneten Pia Maria Wieninger

Children Parliament Vienna
Progressive Jugendpolitik in Wien | Interview mit der Gemeinderätin und Landtagsabgeordneten Pia Maria Wieninger

In diesem Interview erklärt Pia Maria Wieninger, Mitglied des Wiener Landtages und des Wiener Gemeinderates, wie die Stadt Wien mit Jugendbeteiligungsprojekten eine Vorreiterrolle einnimmt. Erstmals in ihrer Geschichte hat die Stadt ein partizipatives Jugendbudget von 1 Million Euro für Projekte von Jugendlichen für Jugendliche reserviert.

Das Interview ist Teil unserer Interviewreihe „Jugend für Europa, Europa für die Jugend“, die die vielen inspirierenden Initiativen von fortschrittlichen Städten und Regionen in Europa in Bezug auf die Jugendpolitik ins Rampenlicht rückt.

Warum ist Ihre Stadt eine fortschrittliche Stadt, wenn es um Jugendpolitik und Jugendengagement in der Politik geht?

Wien hat sich das Ziel gesetzt die Kinder- und Jugendfreundlichste Stadt der Welt zu werden. 2019 hat Wien mit der „Werkstadt Junges Wien“ das bisher größte Partizipationsprojekt für Kinder und Jugendliche ins Leben gerufen. Aus der Überzeugung, dass sie die ExpertInnen für ihre eigenen Anliegen sind, wurden über

1.300 Workshops mit über 22.500 Kindern und Jugendlichen abgehalten, in denen sie gefragt wurden, was sie an der Stadt Wien gut finden, was nicht, was sie ändern möchten und was sie sich für die Zukunft wünschen.

Das groß angelegte Projekt sollte dazu beitragen, dass alle Kinder und Jugendlichen in Wien wissen, dass sie gehört werden und ihre Meinung zählt. Die Ergebnisse bildeten die Grundlage für die Kinder- und Jugendstrategie der Stadt Wien, die im Frühjahr 2020 basierend auf den Wünschen, Ideen und Anregungen ausgearbeitet und im Gemeinderat beschlossen wurde - als verbindlicher Auftrag an die Stadtpolitik.

Können Sie uns eine erfolgreiche Initiative nennen, die Sie ins Leben gerufen haben, um junge Menschen in Ihrer Stadt zu stärken?

Die Wiener Kinder- und Jugendstrategie umfasst 9 Ziele und 193 Maßnahmen. Zwei wichtige Maßnahmen:

Das wienweite Kinder- und Jugendparlament

Mit dem Kinder- und Jugendparlament bekommen Kinder und Jugendliche die Möglichkeit zur aktiven Mitbestimmung in der Stadt und werden ermutigt, Sprachrohr im politischen Diskurs zu sein.

Die Abgeordneten diskutieren die eingereichten Projekte aus der Kinder- und Jugendmillion und treten mit Mitgliedern der Wiener Stadtregierung in Austausch, um den Fortschritt der Kinder- und Jugendstrategie zu besprechen und voranzutreiben.

Youth Parliament Vienna

Die partizipative Kinder- und Jugendmillion

1 Million Euro nimmt die Stadt Wien mit der Kinder- und Jugendmillion für Projekte von Kindern und Jugendlichen in die Hand. Alle zwischen 5 und 20 Jahren mit Lebensmittelpunkt in Wien waren im Oktober 2021 dazu aufgerufen, ihre Ideen für ihr Wien von morgen einzureichen. Rund 250 Ideen wurden dabei eingereicht - von Vereinen, Schulen, Kindergärten und Einzelpersonen.

In der 1. Sitzung des Kinder- und Jugendparlaments wurden diese Ideen Themenblöcken zugewiesen und in Ausschüssen diskutiert. Um die Umsetzbarkeit der Ideen zu prüfen, arbeiteten die Kinder und Jugendlichen anschließend in Co-Creation- Workshops mit Mitarbeiter*innen aus 27 Dienststellen der Stadt Wien sowie aus den Bezirken zusammen – von den Wiener Stadtgärten bis zur Bezirksjugendsprecherin.

Im Herbst 2022 haben Kinder und Jugendliche von 5 bis 20 Jahren online darüber abgestimmt, welche Projekte mit der Kinder- und Jugendmillion umgesetzt werden sollen. Insgesamt haben 3.117 Kinder und Jugendliche an der Abstimmung teilgenommen. Die 20 Siegerprojekte wurden am 17. Oktober im Kinder- und Jugendparlament präsentiert und von diesem bestätigt. Nun werden die Siegerprojekte von der Stadt Wien umgesetzt.

Weitere Infos gibt es hier.

Was sollten Ihrer Meinung nach die 3 wichtigsten Prioritäten für unsere fortschrittliche Parteienfamilie sein, wenn es um die Jugendpolitik geht?

Psychische Gesundheit

Kinder und Jugendliche waren und sind von den Einschränkungen und Konsequenzen der Covid-19 Pandemie besonders betroffen. Das führt vermehrt zu Depressionen, Ängsten, Schlafstörungen und Suizidgedanken bei jungen Menschen. Auch der Krieg in der Ukraine und die gefühlte Machtlosigkeit beim Klimawandel sind Themen, die jungen Menschen schwer zusetzen. Es ist daher unabdingbar, Kinder- und Jugendlichen Unterstützung anzubieten und Maßnahmen für eine gute psychosoziale Gesundheit unserer Jüngsten zu setzen.

Mitsprache/ Partizipation

Kinder und Jugendliche sind die Expert*innen für ihre Anliegen und Bedürfnisse. Kinder- und Jugendpartizipation sollte daher kein Privileg, sondern ein Recht sein. Wie wir das in Wien leben, habe ich schon oben erläutert.

Klimaschutz

Jungen Menschen ist der Klimaschutz ein besonderes Anliegen. Auch bei unserer großen Kinder- und Jugendbefragung „Werkstadt Junges Wien“ wurden die meisten Beiträge zum Themenkomplex Natur und Umwelt eingebracht. Es führt daher kein Weg an einer progressiven Klimapolitik vorbei, wenn man die Sorgen und Anliegen junger Menschen ernst nimmt.

Welche Rolle können Ihrer Meinung nach junge Menschen bei den Europawahlen 2024 spielen?

Damit junge Menschen eine Rolle bei den EU-Wahlen spielen können müssen sie nicht nur mitsprechen sondern auch mitbestimmen dürfen. Österreich ist das Einziege europäische Land, in dem Jugendliche ab 16 Jahren bereits seit 2007 auf allen politischen Ebenen aktiv wählen dürfen. Denn politische Partizipationsmöglichkeiten fördern nicht nur das Interesse an Politik, sondern auch den Zusammenhalt in und die Identifikation mit der Gesellschaft. Eine Wahlaltersenkung kann sich stärkend auf eine Demokratie auswirken, die Jugendlichen müssen dabei jedoch auch aktiv abgeholt werden und dauerhaft in den politischen Prozess eingebunden und begleitet werden.

Pia Maria

***

© Bildnachweise: erstes und zweites Foto PID/Christian Fürthner, drittes Foto Rene Wallentin

Top