Dieses Interview ist Teil unserer Reihe #ProgressiveLocalStories, die darauf abzielt, das Bewusstsein für die vielen positiven Initiativen zu schärfen, die fortschrittliche Städte und Regionen in Europa im Bereich der Ziele für nachhaltige Entwicklung ergriffen haben. Städte und Regionen sind zu Laboratorien für innovative Lösungen geworden. Mit dieser Reihe möchten wir herausfinden, wie fortschrittliche Bürgermeister/-innen, Stadträte/-innen und Regionalpräsidenten/-innen Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise, zur Beseitigung sozialer Ungleichheiten und zum Aufbau nachhaltigerer Gemeinschaften erfolgreich umsetzen.
Frau Mathiaschitz, warum ist Klagenfurt eine fortschrittliche Stadt?
Im November 2018 wurde die sogenannte „Smart City Strategie“ im Gemeinderat beschlossen, die insgesamt 184 Maßnahmen umfasst und das Ziel hat die THG-Emissionen bis 2030 um 40% und bis 2050 um 90% zu reduzieren. Von den 184 definierten Maßnahmen befinden sich derzeit rund 90% in Umsetzung oder in Vorbereitung. Bei dieser Strategie stehen der Lebensraum der Menschen und die Sicherung der Lebensqualität für künftige Generationen im Mittelpunkt. Die Strategie findet daher nicht nur im Bereich der Mobilität, sondern auch in der Stadtplanung und vielen anderen Abteilungen ihren Niederschlag. Da die Smart-City-Strategie strategische Ziele beinhaltet, die anhand von messbaren Indikatoren permanent kontrolliert werden können, stellt sie eine wichtige Grundvorrausetzung für Förderungen auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene dar.
Wie trägt Klagenfurt zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele vor Ort bei?
Der wichtigste Ansatz bei der Reduzierung der THG Emissionen fällt in den Bereich der Mobilität. Mit der neugegründeten Klagenfurt Mobil GmbH verfolgen wir das Ziel, den Gesamtverkehr in Klagenfurt neu zu gestalten und den öffentlichen Personennahverkehr als Alternative zum PKW zu positionieren. Der motorisierte Individualverkehr soll bis 2035 auf 30% sinken und der Anteil des Verkehrsverbundes (öffentlicher Personennahverkehr, Rad, Fußgänger) auf 70% steigt. Der Fokus wird auf die Optimierung des öffentlichen Personenverkehrs und dessen Finanzierung gelegt. Erste Maßnahmen – wie etwa die erste Zehn-Minuten-Takt-Buslinie - wurden bereits 2019 umgesetzt. In den kommenden Jahren werden, die wichtigsten Siedlungs- und Arbeitsgebiete mit fünf Hauptlinien, die im Zehn-Minuten-Takt verkehren, verbunden. Die wichtigsten Haltestellen mit Umstiegs-Funktion werden zu Mobilitätsknotenpunkten ausgebaut. Parallel dazu setzten wir gemeinsam mit dem Land Kärnten den Masterplan Radfahren um, dessen Ziel es ist den Anteil des Rades am Individualverkehr nachhaltig zu steigern.
Die größte Herausforderung im Bereich der Mobilität ist die Dekarbonisierung des öffentlichen Personennahverkehrs, die einerseits mit enormen Kosten verbunden ist und andererseits auch große Verunsicherung mit sich bringt, da noch niemand eine seriöse Prognose abgeben kann, welche Antriebsform sich langfristig durchsetzen wird.
Ein weiterer Schwerpunkt wurde im Wohnbau gesetzt. Derzeit entsteht Klagenfurt das erste Smart-City-Siedlungsgebiet Kärntens für rund 1.700 Bewohnerinnen und Bewohner im Endausbau. Im Wohnbauprojekt „hi-Harbach“ kommt erstmals ein nachhaltiges Mobilitätskonzept zur Anwendung, das als Muster dient und schrittweise im ganzen Stadtgebiet implementiert werden soll.
Wie haben europäische Fördermittel Klagenfurt dabei geholfen?
In den vergangenen 15 Jahren hat die Landeshauptstadt Klagenfurt EU-Fördermittel in der Höhe von 23 Millionen Euro lukriert. Durch innovativen Maßnahmen zur Luftreinhaltung, Mobilitätsprojekte, Energieeffizienzprojekte und dem Smart-City-Projekt wurde ein wichtiger Beitrag zur Forcierung des Klimaschutzes in Klagenfurt geleistet. Durch die Zusammenarbeit mit vielen internationalen Projektpartnern, wissenschaftlichen Institutionen und als Gastgeber von internationalen Kongressen zu den Themen Feinstaub und E-Mobilität erzielte die Stadt einen großen Know-How-Gewinn und Zugang zu internationalen Experten-Netzwerken. Die Smart City Strategie mit 184 Maßnahmen und dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050 ist ein Ergebnis aus den EU-Projektaktivitäten. Die Stadt Klagenfurt wird weiterhin in der Förderlandschaft sehr aktiv sein und das bestehende Netzwerk zur Umsetzung verschiedener Klimaschutz- und Umweltprojekte nutzen.
Maria-Luise Mathiaschitz ist seit 2015 Bürgermeisterin von Klagenfurt, der Hauptstadt von Kärnten. Sie ist die erste Frau in dieser Position. Sie gehört der Sozialdemokratischen Partei Österreichs an.
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