München fördert LGBTIQ-Rechte | Interview mit Oberbürgermeister Dieter Reiter

Munich City Hall
20 July 2021
München fördert LGBTIQ-Rechte | Interview mit Oberbürgermeister Dieter Reiter

Dieses Interview ist Teil unserer Kampagne #LoveWhereILive und unserer Reihe „#ProgressiveLocalStories“, die das Bewusstsein für die zahlreichen positiven Initiativen der progressiven Städte und Regionen in Europa schärfen soll. Die Städte und Regionen sind zu Testfeldern für innovative Lösungen geworden, und mit dieser Reihe wollen wir zeigen, welche Maßnahmen fortschrittliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Stadträte und -rätinnen sowie Regionalpräsidentinnen und -präsidenten zur Förderung und zum Schutz der Rechte von LGBTIQ-Personen ergriffen haben.

Ihre Stadt München ist ein gutes Beispiel für die Förderung und den Schutz von LGBTIQ-Rechten. Was denken Sie als fortschrittlicher Lokalpolitiker über den Schutz der LGBTIQ-Rechte in Ihrer Stadt und in Europa?

Die Community von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans*, inter* und queeren Menschen ist ein integraler und wertvoller Bestandteil der Münchner Stadtgesellschaft. Es ist Auftrag und Verpflichtung des Gemeinwesens und seiner Institutionen, für Lebensqualität, Freiheit, Akzeptanz und Anerkennung aller Bürger*innen zu sorgen, auch von LGBTIQ*! So wie auf europäischer Ebene der Schutz von Minderheiten eine wichtige Rolle spielt, so muss dies auf der Ebene der Kommunen konkretisiert und realisiert werden. München sieht sich dabei der Europäischen Grundrechtecharta verpflichtet!

Die Rechte von LGBTIQ* sind untrennbar mit den Rechten aller Menschen verbunden. Werden die Rechte von LGBTIQ* angegriffen, werden die Rechte aller Menschen angegriffen, weil es um grundlegende Menschenrechte geht.

Die Frage nach den Rechten von LGBTIQ* ist ganz zentral für die Werte der Stadtgesellschaft und für den sozialen Frieden in der Stadt. Gerade an der Akzeptanz der Community der LGBTIQ* kann gesehen werden, wie der Wertestand der ganzen Stadtgesellschaft ist. Gelingt Akzeptanz? Gelingt ein friedvolles und solidarisches Miteinander?

Die Akzeptanz von Menschen mit einer LGBTIQ*-Identität ist damit auch Gradmesser für den sozialen Frieden in der Stadt.

In den letzten Jahrzehnten hat es einen deutlichen Fortschritt bei diesen Fragen gegeben. Die rechtliche Gleichstellung ist fortgeschritten, die gesellschaftliche Akzeptanz gestiegen.

Und doch sind diese Entwicklungen mehr als brüchig. Gerade in der heutigen Zeit sehen wir wieder zunehmend Angriffe, Abwertungen und gezielte politische Ungleichwertigkeitsstrategien gegen LGBTIQ*. Hier gilt es ganz entschieden entgegen zu halten!

München nimmt hier seit Jahrzehnten eine klare und unmißverständliche Haltung ein, die Ausdruck auch in der Förderung und Unterstützung von LGBTIQ* findet! Jede Form von Ausgrenzung, Benachteiligung oder Gewalt wird abgelehnt und entschieden bekämpft. Hierzu arbeiten wir auf verschiedenen Ebenen mit den zivilgesellschaftlichen, städtischen und staatlichen Institutionen zusammen.

Es ist uns in München ein wichtiges Anliegen, ein guter Ort für LGBTIQ* zu sein!

Lord mayor Reiter

Welche konkreten Maßnahmen haben Sie ergriffen um Ihre Stadt zu einer Stadt zu machen, in der die Rechte von LGBTIQ-Personen uneingeschränkt respektiert und gefördert werden?

Wir geben dem Thema hohen Stellenwert und Priorität. 

Eine zentrale Rolle bei der Gestaltung und Umsetzung der LGBTIQ*-Politik nimmt in München die Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LGBTIQ* (KGL) ein. Um die Wichtigkeit dieser Thematik zu betonen und Wirkmächtigkeit der KGL zu stärken,  ist sie als Stabsstelle direkt beim Oberbürgermeister angesiedelt.

Die KGL vernetzt sich mit vielen Institutionen und sorgt dafür, dass das Thema LGBTIQ* präsent bleibt.

Auch innerhalb der Stadtverwaltung sind Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsbestrebungen hoch. Die Maßnahmen der Landeshauptstadt München sind in einer Broschüre zusammengefasst (2014 - 2019):

Aktuelle Themen und Projekte:

  • LGBTIQ* und Flucht
  • Geschlechtergerechte Sprache unter Einbeziehung von trans*, inter*, nonbinär
  • Schulungen und Fortbildungen unserer Beschäftigten zu LGBTIQ*
  • Runder Tisch zur Gleichstellung von LGBTIQ*
  • Akzeptanzkampagnen im öffentlichen Raum, z.B. Beflaggung von Bussen und Trambahnen zum CSD, die www.wirsindfuerdichda.org – Kampagne für Jugendliche usw.
  • Beratung und Unterstützung von Beschäftigten
  • Entwicklung einer Leitlinie Transition zur Unterstützung von trans* Beschäftigten

Um die Sicherheit und den Gewaltschutz für LGBTIQ im öffentlichen Raum zu verbessern, hat die Koordinierungsstelle ein Kooperationsprojekt mit dem Polizeipräsidium München aufgelegt.

Inhalte und Zielsetzungen sind vertrauensbildende Maßnahmen zwischen Community und Polizei, Sensibilisierung innerhalb der Polizei, Öffentlichkeitsarbeit, Verbesserung des Anzeigeverhaltens von LGBTIQ* bei Übergriffen.

München fördert die LGBTIQ*-Community seit vielen Jahren. Für jeden Lebensbereich gibt es dadurch Angebote und Hilfen.

Die Landeshauptstadt München hat hierzu eine eigene Stiftung errichtet, die Münchner Regenbogen-Stiftung.

Folgende Einrichtungen der LGBTIQ-Community werden durch die Landeshauptstadt finanziell und fachlich gefördert:

  • Lesbentelefon e.V.
  • Beratungsstelle für lesbische und bisexuelle Frauen
  • Asylsozialberatung für geflüchtete lesbische und bisexuelle Frauen
  • LeZ, Lebisch-queeres Zentrum – Begegnungs- und Kommunikationsort
  • Regenbogenfamilienzentrum
  • https://www.letra.de 
  • https://www.regenbogenfamilien-muenchen.de/
  • https://www.lez-muenchen.de/
  • Schwules Kommunikations- und Kulturzentrum Sub e.V.
  • Beratungsstelle für schwule und bisexuelle Männer
  • Asylsozialberatung für schwule und bisexuelle Geflüchtete
  • Sub-Zentrum, Begegnungs- und Kommunikationsraum für schwule und bisexuell Männer
  • Fachstelle für sexuelle Gesundheit
  • Strong – LGBTI-Fachstelle gegen Diskriminierung und Gewalt www.subonline.org; https://strong-community.de/
  • Münchner Aids-Hilfe e.V.
  • Trans*Inter*Beratungsstelle, Beratung und Unterstützung für trans*, inter* und nichtbinäre Menschen
  • Beratungsstelle „rosaAlter“ für LGBTIQ*-Senior*innen, Beratung und Unterstützung für ältere Lesben, Schwule, Bi, trans*, inter* und queere Menschen
  • Queer Quartier Herzog*in, Gemeinschaftliches Wohnprojekt für ältere LGBTIQ* https://www.rosaalter.de/
  • https://www.trans-inter-beratungsstelle.de/de/
  • diversity münchen e.V.
  • Jugendzentrum für queere Jugendliche und junge LGBTIQ*
  • diversity cafe, Treffpunkt für LGBTIQ*-Jugendliche
  • diversity@school, Aufklärungsprojekt
  • https://diversity-muenchen.de/
  • Aufklärungsprojekt München e.V.
  • Bildungs- und Aufklärungsarbeit, Akzeptanzförderung an Schulen und Jugendeinrichtungen
  •  https://www.aufklaerungsprojekt-muenchen.de/

Die Landeshauptstadt München unterstützt auch die Veranstaltungen der Community, zum Beispiel:

  • CSD München
  • Various Voices Chorfestival 2018
  • Bewerbung um die GayGames 2026

Rainbow Flag Munich

Die Europäische Kommission hat letztes Jahr ihre erste LGBTIQ-Strategie vorgeschlagen und das Europäische Parlament hat kürzlich die EU zur LGBTIQ-Freiheitszone erklärt. Wie kann die Europäische Union weiter dazu beitragen, die Gleichstellung von LGBTIQ-Menschen zu fördern und warum ist dies für Ihre Stadt wichtig?

Die Europäische Union ist mit ihren Institutionen ein wichtiger und zentraler Bündnispartner für die Gleichstellung und Antidiskriminierung von LGBTIQ*. Die Grundrechtecharta und die Europäische Menschenrechtskonverntion sind Grundlagen der Werte in der Gemeinschaft.

Folgende Maßnahmen und Angebote wären wünschenswert.

  • Europäische Richtlinie für LGBTIQ*: Eine verbindliche Richtlinie der EU gegen Ausgrenzung, Benachteiligung und Gewalt, die auf nationalstaatlicher Ebene umzusetzen ist. Internationale verpflichtende Vorgaben sind für die Staaten und Kommunen wichtige Stützpfeiler bei der Unterstützung von Minderheiten. So gibt es zum Beispiel in Deutschland keine Verpflichtung für die Bundesländer, einen Aktionsplan gegen LGBTIQ*-Feindlichkeit aufzulegen.
  • Eine verstärkte Kooperationen mit den EU-Institutionen auf lokaler Ebene, wie z.B. die Aktion zwischen dem Verbindungsbüro EU-Parlament in München und der Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LGBTIQ* zu „Europa im Mai“.
  • Weiterhin klare Positionierung der EU zu LGBTIQ*-feindlichen Entwicklungen in den Nationalstaaten und weltweit! Diese Positionierungen sind auf kommunaler Ebene wichtig, weil sie auch ein Empowerment für die Communties und die Akteur*innen darstellen!
  • Stärkung der Europäischen Agentur für Grundrechte (FRA) und weiterhin Durchführung von Studien zur Lebenssituation von LGBTIQ* in Europa. Ableitung von konkreten Maßnahmen aus den Studien wie z.B. Programme zur Bekämpfung von LGBTIQ*-Feindlichkeit
  • Unbürokratisch zugängliche Fördermittel für kommunale Maßnahmen zur Gleichstellung von LGBTIQ*. Kontakt schafft Verständnis, Verständnis schafft Akzeptanz.
  • Ein europäisches Programm zum Jugendaustausch spezifisch zur Akzeptanzförderung zu LGBTIQ* wäre wünschenswert als konkrete Maßnahme zum Abbau von Diskriminierung und Ausgrenzung. Dieses Programm könnte über Schulen, Jugend- und Kultureinrichtungen verwirklicht werden.

Muenchen logo

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Bildnachweise:

Foto 1 und 3: Stadt München / Michael Nagy

Foto 2: Stadt München / Erwin Harbeck (Oberbürgermeister Dieter Reiter, zweiter von rechts, mit Team Koordinierungsstelle Andreas Unterforsthuber, Ulrike Mößbauer und Thorsten Wiedeman)

 

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