Dieser Beitrag der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung ist Teil unserer Kampagne #LoveWhereILive und unserer Reihe „#ProgressiveLocalStories“, die das Bewusstsein für die zahlreichen positiven Initiativen der progressiven Städte und Regionen in Europa schärfen soll. Die Städte und Regionen sind zu Testfeldern für innovative Lösungen geworden, und mit dieser Reihe wollen wir zeigen, welche Maßnahmen fortschrittliche Bürgermeister*innen, Stadträt*innnen sowie Regionalpräsident*innen zur Förderung und zum Schutz der Rechte von LGBTIQ-Personen ergriffen haben.
Berlin gehört in Europa zu den fortschrittlichsten LSBTI-freundlichen Städten. Können Sie uns mehr dazu sagen?
Ein sehr wichtiges Ziel des Senats von Berlin ist die Durchsetzung des Rechts auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung. Berlin richtete als erstes Bundesland eine öffentliche Stelle für LSBTI-Personen ein; das war 1989. Dieses LSBTI-Referat wurde damit beauftragt, die Emanzipation von lesbischen, schwulen, bi-, trans- und intersexuellen Personen zu fördern, Diskriminierung in allen Lebensbereichen zu verringern und die Akzeptanz der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt zu unterstützen. Dazu gehören auch die Zusammenarbeit bei der Ausarbeitung von Gesetzen und Verordnungen, die Bündelung und Bereitstellung von Informationen über relevante Themenbereiche, die Entwicklung von Konzepten und Kampagnen sowie die Unterrichtung, Sensibilisierung und Beratung öffentlicher und sozialer Einrichtungen. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Bekämpfung von Gewalt gegen LSBTI-Personen.
Das LSBTI-Referat war zuständig für die Erarbeitung der jüngsten LSBTI-Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt“ (IGSV), die auf einer ersten Initiative aus den Jahren 2009/2010 beruht und die vom Berliner Senat am 23.7.2019 beschlossen wurde. Die IGSV ist ein ressortübergreifender Aktionsplan zu LSBTI‑Personen für die kommenden Jahre, an dem alle Referate des Berliner Senats beteiligt sind. Seine 92 Maßnahmen wurden in einem intensiven partizipativen Prozess entwickelt. Zu den neuen Themen gehören LSBTI-Geflüchtete sowie Behinderungen und Inklusion, wobei auf trans- und intergeschlechtliche Fragen ausdrücklich eingegangen wird und die Geschlechtervielfalt nun Teil des Titels ist. Intersektionalität und lesbische Sichtbarkeit sind bereichsübergreifende Aspekte.
Berlin hat sich zur „Regenbogenstadt“ erklärt. Würden Sie uns diese Initiative erläutern?
Berlin hat mit mehreren europäischen Städten 2013 das Rainbow Cities Network (RCN) gegründet. Seither arbeitet Berlin mit vielen anderen europäischen und außereuropäischen Städten zusammen und tauscht Erfahrungen aus. LSBTI-Personen stehen weltweit, aber auch in den EU-Mitgliedstaaten vor großen Herausforderungen. Daher ist es wichtig, dass Städte Maßnahmen ergreifen, um „Regenbogenstädte“ zu werden und proaktiv ihre Solidarität unter Beweis zu stellen. Es ist erfreulich, dass seit 2013 viele weitere Städte dem RCN beigetreten sind.
Neben seinem Engagement im RCN hat sich Berlin auch dafür eingesetzt, die Lage von LSBTI-Personen in seinen Partnerstädten und den entsprechenden Ländern zu thematisieren. So traf sich Dr. Dirk Behrendt, für Antidiskriminierung zuständiger Senator, während der Berliner Pride Weeks mit Aktivist*innen aus Istanbul. Im Jahr 2020 zeigten zwei Personen, die in Berlin leben und aus Polen bzw. Bulgarien stammen, ihr Engagement, indem sie die Regenbogenflagge vor der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung hissten.
Die Regenbogenstadt Berlin setzt klare Zeichen gegen Diskriminierung, gegen Gewalt und gegen Unsichtbarkeiten. Mit dem Hissen von Regenbogenflaggen setzen wir Zeichen und mit dem Landesantidiskriminierungsgesetz schaffen wir rechtliche Fakten für die Betroffenen. #IDAHOBIT2020 pic.twitter.com/drbfn3Gkfs
— Dirk Behrendt (@Dirk_Behrendt) May 16, 2020
Können Sie uns mehr über die aktuellen LSBTI-bezogenen Projekte und Strategien in Berlin sagen?
In Berlin gibt es zahlreiche Projekte und Initiativen. Eines der Hauptziele ist die weitere Umsetzung der bereits erwähnten Maßnahmen des IGSV-Aktionsplans.
Der erste Umsetzungsbericht wurde am 20. Juli 2021 veröffentlicht. Genau zwei Jahre zuvor beschloss der Berliner Senat den Aktionsplan. Heute ist die überwiegende Mehrheit der 92 Maßnahmen umgesetzt. Eine englische Fassung des Berichts wird Ende 2021 veröffentlicht.
Zu den neuen Maßnahmen zählen beispielsweise zwei niedrigschwellige Mikroprojektefonds: ein Fonds für LSBTI-Geschichte und ein Fonds für die Pride Weeks. Mit diesen beiden Fonds sollen Basisinitiativen auf lokaler Ebene gefördert werden – mit einer Projektförderung von bis zu 12 000 EUR. Das Schwerpunktthema des diesjährigen Mikroprojektefonds für die Berliner Pride Weeks lautete „Queer im Kiez“, während der thematische Schwerpunkt des Mikroprojektefonds für LSBTI-Geschichte „LSBTI-Geschichts- und -Gedenkorte in Berlin“ lautete. Nach einer Aufforderung zur Interessenbekundung konnten Fördermittel für zehn Projekte pro Kategorie (LSBTI-Geschichte und Pride Weeks) beantragt werden. Beide Fonds zielen auch darauf ab, die Zusammenarbeit mit den Berliner Bezirken und den LSBTI‑Gemeinschaften zu fördern.
Wir sind auch sehr stolz darauf, dass Berlin den bundesweit ersten Monitoring-Bericht zu homo- und transphober Gewalt vorgelegt hat. Das Schwerpunktthema des Berichts lautet „Lesbenfeindliche Gewalt“. Staatliche Stellen und Opferberatungseinrichtungen gehen von einer hohen Dunkelziffer aus. Dies gilt insbesondere für Gewalt gegen lesbische und bisexuelle Frauen. Neben der wissenschaftlichen Auswertung der polizeilichen Meldestatistiken wurde eine Umfrage unter lesbischen und bisexuellen Berlinerinnen durchgeführt. Der Bericht soll nicht nur die Datenlage verbessern, sondern auch dazu beitragen, die Betroffenen und Zeug*innen dazu zu bewegen, Anzeige zu erstatten und so Licht ins Dunkel dieses Kriminalitätsbereichs zu bringen. Dieses Monitoring-Instrument wurde in Berlin im Rahmen des Berliner Aktionsplans eingeführt. Alle zwei Jahre wird ein entsprechender Bericht vorgelegt. Das Schwerpunktthema der nächsten Ausgabe im Jahr 2022 ist „Gewalt gegen trans- und intergeschlechtliche Menschen“.
Die Verbesserung der lesbischen Sichtbarkeit ist ein wichtiges Ziel des Senats von Berlin. Auf der Grundlage eines Katalogs von Empfehlungen, die von einer Sachverständigengruppe erarbeitet wurden, um auf spezifische Bedürfnisse von Lesben aufmerksam zu machen, wurden drei Projekte für die LSBTI-Förderung des Landes Berlin vorgesehen. Im Mittelpunkt dieser Projekte stehen Fragen des Arbeits- und Berufslebens, der generationenübergreifenden Vernetzung und der Stärkung der Sichtbarkeit.
Nicht zuletzt hat Berlin auch die psychosoziale und insbesondere therapeutische Betreuung von LSBTI-Geflüchteten ausgeweitet. Deshalb wurde ein Zentrum eingerichtet, das auf die psychosoziale Betreuung erwachsener LSBTI-Geflüchteter spezialisiert ist. Zu den Hauptaufgaben dieses Zentrums gehört die Umsetzung einer mittel- bis langfristigen psychologischen Beratung und Psychotherapie für und mit LSBTI-Geflüchteten sowie die Zusammenarbeit insbesondere mit Fachleuten, Psycholog*innen, Psychotherapeut*innen und Psychiater*innen, Hochschulangehörigen und anderen Akteur*innen des medizinischen Bereichs.
Weitere laufende Projekte sind:
- Entwicklung und Umsetzung von Übergangsleitlinien für die öffentliche Verwaltung
- Einrichtung einer Unterkunft für obdachlose LSBTI-Personen
- Erarbeitung von Leitlinien für eine geschlechtergerechte Sprache in der öffentlichen Verwaltung.
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Berlin wird im Europäischen Ausschuss der Regionen durch das SPE-Fraktionsmitglied Gerry Woop, Berliner Staatssekretär für Europa, vertreten.
Bildnachweis: Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung