Bekämpfung häuslicher Gewalt | Gutes Beispiel von Maxi Ines Carl, Mitglied im Stadtrat von Hannover

Aktion Rote Schuhe
20 October 2021
Bekämpfung häuslicher Gewalt | Gutes Beispiel von Maxi Ines Carl, Mitglied im Stadtrat von Hannover

Dieses gute Beispiel ist Teil unserer Reihe „#ProgressiveLocalStories“, die darauf abzielt, das Bewusstsein für die vielen positiven Initiativen zu schärfen, die von fortschrittlichen Städten und Regionen in Europa in Bezug auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) umgesetzt werden. Im Mittelpunkt dieses Beitrags steht SDG 5 (Gleichstellung der Geschlechter), welches darauf abzielt, alle Formen von Diskriminierung von Frauen und Mädchen zu beenden und alle Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen im öffentlichen und privaten Bereich zu beseitigen.

Jede dritte Frau hat im Laufe ihres Lebens mindestens einmal körperliche, sexualisierte oder psychische Gewalt erlebt. Betroffen sind Frauen aller sozialen Schichten. Diese Situation ist inakzeptabel und erfordert ein energisches Vorgehen – insbesondere auf lokaler Ebene, also dort, wo die Menschen leben. Hierzu sind wir nicht nur moralisch, sondern auch rechtlich verpflichtet: Am 1. Februar 2018 trat in Deutschland das Übereinkommen von Istanbul in Kraft. Seine 81 Artikel enthalten umfassende Verpflichtungen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, zum Schutz der Opfer und zur Bestrafung der Täter sowie zur Bereitstellung einer sicheren Unterkunft für vor häuslicher Gewalt fliehende Frauen in Frauenhäusern.

Hannover, die Hauptstadt des norddeutschen Bundeslandes Niedersachsen, hatte bereits Maßnahmen zur Vorbeugung gegen häusliche Gewalt ergriffen: 2018 gab es in der Stadt und Region Hannover drei Schutzeinrichtungen für Frauen, die vor häuslicher Gewalt fliehen; zudem fördert die Stadt zahlreiche Frauenberatungsstellen, die Opfer häuslicher Gewalt beraten und unterstützen. Darüber hinaus gibt es seit über 20 Jahren das Hannoversche Interventionsprogramm gegen Häusliche Gewalt (HAIP) – ein interdisziplinäres Netzwerk aus spezialisierten Beratungszentren, lokalen Behörden, Polizei, Justiz und Frauenhäusern. Ein Ziel des HAIP lautet, umfassenden Schutz, Hilfe und Unterstützung für von häuslicher Gewalt betroffene Menschen anzubieten.

Dies reichte jedoch nicht aus: Wir mussten handeln, um das Risiko häuslicher Gewalt weiter zu verringern und die Vorgaben des Übereinkommens von Istanbul zu erfüllen.

Zunächst fand am 3. September 2018 im Rahmen der Sitzung des Gleichstellungsausschusses die Anhörung „Umsetzung der Istanbuler Konvention mit dem Fokus auf den Zugang in Frauenhäuser“ statt, in der Expertinnen ihre Ansichten zur Ausweitung der Frauenhauslandschaft schilderten.

Maxi Ines Carl

Anschließend haben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten praktische Maßnahmen zur Einrichtung eines anspruchsvolleren Systems zur Vorbeugung gegen häusliche Gewalt aufgelistet:

  • Schaffung von mehr Plätzen in Frauenhäusern für Opfer häuslicher Gewalt, darunter auch spezielle Plätze für das Übergangswohnen unmittelbar nach dem Auszug aus dem Frauenhaus, niedrigschwellige Unterstützung in Alltagssituationen (sogenannte „Stufe-zwei-Wohnungen“)
  • Schaffung einer speziellen Schutzunterkunft für Notfälle häuslicher Gewalt
  • Schaffung einer speziellen Schutzunterkunft für junge Frauen
  • Zugang zu sicheren Tagesschlafstätten für Sexarbeiterinnen
  • Zusätzliche Unterkünfte für obdachlose Frauen
  • Ausweitung der Beratungsdienste für Straftäterinnen, um Wiederholungstaten zu verhindern, auch wenn nur 10 % aller Straftäter weiblich sind
  • Ausweitung der Beratungsdienste für straffällig gewordene Jungen und junge Männer zur Aufklärung über unterschiedliche Rollenmodelle von Männlichkeit sowie Beratungsdienste für männliche Opfer häuslicher Gewalt
  • Ausarbeitung eines Konzepts zur Vorbeugung gegen sexualisierte Gewalt in Nachtclubs und Bars zusammen mit Konzert- und Partyveranstaltern mit dem „Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen e. V.“, mit der Beratungsstelle für Mädchen und junge Frauen „Violetta e. V.“ und mit weiteren Partnern sowie Einrichtung eines entsprechenden Netzwerks der Stadt Hannover („We Take Care“)
  • Schaffung erschwinglicher Unterkünfte, damit die Plätze in den Frauenhäusern den Opfern häuslicher Gewalt vorbehalten sind und nicht von Frauen belegt werden, die ihren Alltag wieder eigenständig bewältigen können, jedoch weiterhin bezahlbaren Wohnraum benötigen.

Zusammen mit unseren politischen Partnern haben wir 2019/2020 die Mittel um 1,15 Millionen Euro aufgestockt, um mehr sichere Plätze in Frauenhäusern zu schaffen. Dies war ein bedeutender Meilenstein. Durch die Einrichtung der Sofortaufnahme (Frauenhaus.24) mit derzeit neun Plätzen können Frauen und ihre Kinder unverzüglich Zuflucht finden, ohne auf einen freien Platz warten zu müssen. Zudem hat die Schutzeinrichtung für gewaltbetroffene Frauen zwischen 18 und 25 Jahren zu einer zielgruppenspezifischen Versorgung junger Frauen beigetragen, so dass die Frauenhauslandschaft in Hannover erweitert wurde. Durch diese Projekte ist die Zahl der Schutzplätze für Frauen in Hannover um 24 auf 120 Plätze gestiegen. Dies ist nicht nur eine quantitative Verbesserung: Durch die gezielte Ausrichtung auf bestimmte Gruppen können wir auch qualitativ hochwertigere Dienstleistungen anbieten. Darüber hinaus haben wir ein erstes Konzept für eine Facheinrichtung mit Dienstleistungen für obdachlose Frauen erstellt – darunter Schlafplätze und einen Ort, an dem die Frauen Unterlagen speichern können, sowie Unterstützung beim Zugang zu medizinischer Hilfe und Beratung (Projekt Berta).

Wir haben die Mittel für die oben beschriebenen Beratungsstellen aufgestockt. Außerdem ist das Nachtleben für Frauen sicherer geworden, da es jetzt ein Nothilfennetz („We Take Care“) und Frauennachttaxis gibt.

Des Weiteren hat die Stadt den Zugang von Sexarbeiterinnen zu Tagesschlafstätten erleichtert.

One billion rising

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind stolz darauf, dass wir dazu beigetragen haben, Hannover für Frauen und ihre Kinder sicherer zu machen. Wir setzen uns jedoch auch künftig für ein komplexes System der Gewaltprävention ein, in dem sämtliche Maßnahmen eng miteinander verzahnt sind. Wir müssen bewerten, ob die bereits umgesetzten bzw. noch in Planung befindlichen Projekte die gewünschte Wirkung erzielen und ob alle gewaltbetroffenen Frauen in Hannover letztlich den Schutz und die Hilfe erhalten, die sie benötigen.

Zudem müssen wir uns über Fragen zum Übergangswohnen weiter austauschen, und es gibt noch weitere Bedürfnisse, denen eine vielfältige und differenzierte Frauenhauslandschaft gerecht werden muss. Hierzu gehört die besondere Situation von Transfrauen, die von Gewalt betroffen sind und ebenfalls Schutz in einem Frauenhaus suchen. Wir müssen gegen Probleme wie Antifeminismus, Hetze und Catcalling als mögliche Vorstufen von Gewalt vorgehen. Es ist deshalb wichtig, die gute Zusammenarbeit zwischen Politikerinnen und Politikern, Hilfsorganisationen und lokalen Behörden fortzusetzen, damit gewaltbetroffenen Frauen geholfen werden kann.

***

Maxi Ines Carl ist SPD-Stadträtin in Hannover. Sie ist Sprecherin des Gleichstellungsausschusses und Mitglied im Jugendhilfeausschuss. Sie ist Mitglied unseres Netzwerks junger progressiver Lokal- und Regionalpolitiker*innen

Bildnachweise: Maxi Ines Carl

Top