Dieses Interview ist Teil unserer Reihe #ProgressiveLocalStories, die darauf abzielt, das Bewusstsein für die vielen positiven Initiativen zu schärfen, die fortschrittliche Städte und Regionen in Europa im Bereich der Ziele für nachhaltige Entwicklung ergriffen haben. Städte und Regionen sind zu Laboratorien für innovative Lösungen geworden. Mit dieser Reihe möchten wir herausfinden, wie fortschrittliche Bürgermeister/-innen, Stadträte/-innen und Regionalpräsidenten/-innen Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise, zur Beseitigung sozialer Ungleichheiten und zum Aufbau nachhaltigerer Gemeinschaften erfolgreich umsetzen.
Herr Ludwig, warum ist Wien eine fortschrittliche Stadt?
Wien ist seit 10 Jahren in Folge zur lebenswertesten Stadt der Welt gewählt worden. Wir werden aus vielen Gründen ausgezeichnet, unter anderem aufgrund des öffentlichen Verkehrs, der Gesundheitsversorgung und der Bildungs- und Kulturangebote.
In der Smart City Studie von Roland Berger belegen wir bereits zum 2. Mal den ersten Platz: Wien ist die smarteste City der Welt!
Auf dem Weg zur Digitalisierungshauptstadt hat die Stadt Wien das erste echte 5G Netz der Bundeshauptstadt in Betrieb genommen und damit einen wichtigen Meilenstein im Ausbau der städtischen digitalen Infrastruktur gesetzt. In Zeiten des digitalen Wandels legen wir den Schwerpunkt auf die Sicherheit des Menschen und seiner Daten im digitalen Raum, deshalb haben wir das „Vienna Cybersecurity and Privacy Research Center“ ins Leben gerufen.
Der entscheidende Faktor, um am Arbeitsmarkt Schritt zu halten, ist die Aus- und Weiterbildung: Mit dem von mir initiierten Digitalisierungspakt zwischen der Stadt Wien und den Sozialpartnern unterstützen wir Wiener Unternehmer, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Lehrlinge das nötige Know-how zu erlangen, sodass der Fortschritt allen zugutekommt. Das friedliche Zusammenleben und das respektvolle Miteinander aller Menschen in unserer Stadt stehen für mich als Bürgermeister immer im Vordergrund.
Unser Schlüssel zum Erfolg? - In allen unseren Strategien steht der Mensch im Mittelpunkt.
Bildnachweis: Stadt Wien/PID, Fotograf Christian Jobst
Wie trägt Wien zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele vor Ort bei?
Wir haben für das Jahr 2020 ein Klimabudget mit 940 Millionen Euro eingeplant, um strategische und operative Maßnahmen zu finanzieren: Wir haben in Wien den Klimaschutz-Turbo gezündet mit 50 konkreten Klimaschutz-Maßnahmen für unsere Stadt der Zukunft. Um den Weg zur CO2-neutralen Stadt zu erreichen, ist es notwendig eine intelligente Vernetzung der Bereiche Strom, Wärme, Verkehr und Abfallentsorgung zu intensivieren und die Energiequellen der Zukunft Wind, Wasser und Sonne einzusetzen.
Das beste Beispiel dafür, dass Wien eine Smart City ist, ist der Verkehr: Es ist bekannt, dass ein Drittel der Emissionen durch den Verkehr geschaffen wird. Wir haben den öffentlichen Verkehr seit Jahrzehnten ausgebaut und setzen diese Strategie fort. In Wien geht es nicht darum, dass wir die Menschen dazu bewegen wollen auf etwas zu verzichten. Wir bieten eine bessere Alternative an, die auch als solche angenommen wird: In Wien gibt es mehr Jahreskartenbesitzerinnen und Jahreskartenbesitzer für die öffentlichen Verkehrsmittel als PKW.
Wie haben europäische Fördermittel Wien dabei geholfen?
Wir konnten durch Fördermittel der europäischen Union verschiedene Projekte umsetzen, die ohne diese Finanzierungen nicht realisierbar gewesen wären. Allein seit 2007 sind an die 200 EU-Projekte umgesetzt worden, von Arbeitsmarktprojekten wie dem RUSZ (Reparatur- und Servicezentrum), wo Langzeitarbeitssuchende ressourcenschonend lernen Elektrogeräte zu reparieren, bis zur Verschönerung des Gürtels, Neugestaltung der Neulerchenfelder und Ottakringer Straße, sowie weiterer Plätze in Wien. Mit dem EU-Projekt „Smarter Together – gemeinsam g’scheiter“ wurden 7 Millionen Euro EU-Förderung für Wien lukriert, um innovative und zukunftsweisende Lösungen zu realisieren. Mit der erfolgreichen Projektumsetzung konnten wir zeigen, wie EU-Gelder mit hohem Nutzen für Klimaziele und Smart City Lösungen werden können. Dieses Vorhaben im EU-Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020 hat das Ziel, neue Ansätze aus den Bereichen Gebäudesanierung, Energieversorgung, Mobilität oder digitale Infrastruktur zu fördern, um diese weiter zu etablieren.
In den letzten 10 Jahren sind über 100 Millionen Euro dem waff für die Erarbeitung und Umsetzung verschiedener Projekte zur Verfügung gestellt worden. Alleine in der laufenden Strukturfondsperiode 2014 bis 2020 stehen Wien auf diesem Weg 55 Mio € ESF-Mittel zur Verfügung - damit konnten bisher knapp 63.000 Menschen in Wien gefördert werden.
Michael Ludwig ist seit Mai 2018 Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien. Er gehört der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) an. 2007–2018 war er amtsführender Wiener Stadtrat für Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung und zwischen März 2009 und Oktober 2010 zweiter Vizebürgermeister bzw. Landeshauptmann-Stellvertreter von Wien. Seit 2018 ist er Mitglied des Europäischen Ausschusses der Regionen.
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