Kritische Rohstoffe: Förderung einer nachhaltigen Zukunft?

17 March 2021
Kritische Rohstoffe: Förderung einer nachhaltigen Zukunft?

Rohstoffe werden für die Herstellung verschiedenster Güter und Anwendungen für unseren Alltag benötigt und sind ein wichtiger Bestandteil der industriellen Basis Europas. Mindestens 30 Millionen Arbeitsplätze hängen europaweit von der Verfügbarkeit von Rohstoffen ab. Insbesondere kritische Rohstoffe – Metalle, Mineralien und Naturmaterialien – sind wirtschaftlich und strategisch wichtig für zentrale zukunftsorientierte Branchen wie Digital- und Kommunikationstechnologien, erneuerbare Energien und E-Mobilität, den Stahlsektor und das Gesundheitswesen. Allerdings zeichnen sie sich aufgrund der Abhängigkeit von Importen aus Drittländern in häufig instabilen Weltregionen durch ein hohes Versorgungsrisiko aus. Gleichzeitig nimmt die Nachfrage nach (kritischen) Rohstoffen weltweit zu und dürfte sich in der EU bis 2050 verdoppeln, wie auch in der neuen Industriestrategie für Europa dargelegt wird. 

 

COVID-19-Krise: Wenn Rohstoffe knapp werden

Kritische Rohstoffe sind seit Langem ein Diskussionsthema auf EU-Ebene, oft im Zusammenhang mit anhaltenden Handelsspannungen. Erst seit Kurzem stehen sie jedoch wieder ganz oben auf der Agenda. Mit der Coronavirus-Pandemie stand die breite Öffentlichkeit einer Situation gegenüber, in der die Lieferketten stark unter Druck gerieten oder ganz unterbrochen wurden, sodass die Versorgung mit wesentlichen Waren und Dienstleistungen vollständig zum Erliegen kam. 

Eine aktive und stärker strategisch ausgerichtete europäische Industriepolitik, die über die Verknüpfung von Forschung und Entwicklung mit der Produktion starke Wertschöpfungsketten schafft, ist deshalb wichtiger denn je. Wenn Nachhaltigkeit in den Worten von Kommissionsmitglied Maroš Šefčovič „sehr bald das wichtigste Herausstellungsmerkmal“ sein wird, wie kann Europa dann am besten eine nachhaltige, aber wettbewerbsfähige Rohstoffversorgung für die Zukunft fördern und dafür sorgen, dass das Wirtschaftsgefüge der EU-Regionen, einschließlich der kleinen und mittleren Unternehmen, für diese große Herausforderung gerüstet ist?

 

Unter der Oberfläche, aber Teil des großen Ganzen

Kritische Rohstoffe werden eine Rolle bei der Erholung von der Pandemie spielen und die Umstellung auf eine grüne und digitale Wirtschaft maßgeblich voranbringen. Künftige digitale und für die Verwirklichung des Grünen Deals erforderliche Technologien wie Solarpaneele, Windkraftanlagen und elektrische Batterien sind sehr ressourcenintensiv. Die beiden wichtigsten Ziele der EU für die kommenden Jahre können ohne eine sichere und nachhaltige Versorgung mit kritischen Rohstoffen nicht verwirklicht werden. Deshalb ist ein Umdenken erforderlich. 

Zum einen muss die EU ihre Versorgung mit Rohstoffen aus heimischen Quellen verbessern und dazu sowohl die Förderung kritischer Primärrohstoffe als auch die Kreislaufwirtschaft zur Gewinnung kritischer Sekundärrohstoffe ausbauen. Entgegen der landläufigen Meinung ist Europa reich an Ressourcen und verfügt über ein großes Potenzial zur Erschließung verschiedener kritischer Rohstoffe. So werden in Europa immer noch mehr als 42 verschiedene Metalle und Mineralien abgebaut. Zum anderen muss sich die EU angesichts der wachsenden Nachfrage nach kritischen Rohstoffen vermehrt darum bemühen, nachhaltige strategische Partnerschaften mit ressourcenreichen Drittländern aufzubauen, indem diese enger in europäische Wertschöpfungsketten eingebunden werden.

Die im September 2020 vorgelegte Rohstoffstrategie der Europäischen Kommission ist ein erster Schritt zur Bewältigung dieser Herausforderung. Darin wird ein 10-Punkte-Aktionsplan für eine sicherere und nachhaltigere Rohstoffversorgung der EU vorgeschlagen. Vorgesehen ist u. a. die Gründung einer Europäischen Rohstoffallianz, die den Regionen sowie der Industrie, der Forschung, den Mitgliedstaaten und der Zivilgesellschaft offensteht.

In dem Aktionsplan wird der Schwerpunkt vor allem auf ehemalige und aktuelle Kohleregionen in Europa – bspw. in Deutschland, Polen und Spanien – gelegt und zudem die Stärkung heimischer Bezugsquellen für Rohstoffe vorgeschlagen. Hierzu sollen in den kommenden Jahren nachhaltige Abbau- und Verarbeitungsprojekte umgesetzt werden.

 

Besserer Wiederaufbau und Förderung innerhalb der EU?

Die Sicherung einer wettbewerbsfähigen und umweltverträglichen Rohstoffversorgung und die Verringerung der Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen durch eine effizientere Ressourcennutzung, Recycling, nachhaltige Produkte und Innovation sind ebenfalls zentrale Prioritäten der Regionen in ganz Europa.

„Die Rohstoffgewinnung innerhalb der EU sollte politisch und finanziell unterstützt und die Beschaffung aus Drittstaaten diversifiziert werden. Umwelt- und Sozialstandards, aber auch die Rückverfolgbarkeit der Liefer- und Einzelhandelsketten müssen durch internationale Vereinbarungen auf WTO-Ebene gewährleistet werden“, betont SPE-Mitglied Isolde Ries, die federführend an den Arbeiten des Europäischen Ausschusses der Regionen zum Aktionsplan für kritische Rohstoffe beteiligt ist. „Diese Bausteine sind entscheidend – sowohl für die europäische Industrie als auch für die Millionen von ihr abhängenden Arbeitsplätze und für eine erfolgreiche Umsetzung des europäischen Grünen Deals.“

Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften spielen bereits eine Schlüsselrolle bei der Nachhaltigkeitswende im Bereich kritische Rohstoffe. Ihnen obliegen zum Beispiel bei rohstoffwirtschaftlichen und industriellen Projekten Genehmigungs- und Aufsichtskompetenzen. Ebenso finden die Wertschöpfung und die Schaffung von Beschäftigung im Zusammenhang mit der Rohstoffgewinnung auf lokaler Ebene statt – ebenso wie Forschungs- und Entwicklungsprojekte, sozial verantwortliche Beschaffung und innovatives Recycling.

Als Vizepräsidentin des Landtags des Saarlandes, einer deutschen Region mit langer Bergbautradition, weist Isolde Ries außerdem darauf hin, dass das Know-how und die Erfahrung aktueller und ehemaliger Bergbauregionen genutzt werden müssen, um die für die Zukunft wichtigen Rohstoffe zu gewinnen: „Aufgrund des zunehmenden Widerstands der lokalen Bevölkerung ist es sicherlich nicht einfach, heutzutage neue Berg- oder Tagebaustätten für die Gewinnung von Rohstoffen zu errichten. Hier müssen wir durch Aufklärung und Information die öffentliche Akzeptanz steigern. Gleichzeitig müssen negative Umweltauswirkungen vermieden oder so weit wie möglich verringert werden.“ Hier setzen die Regionen auf die Unterstützung der EU.

 

Ein Jahr voller Herausforderungen liegt vor uns

Vorausblickend verspricht 2021 ein wichtiges Jahr zu werden, da an vielen Fronten der Startschuss für EU-Initiativen zu kritischen Rohstoffen fallen wird. Wie Dan Nica, MdEP, S&D‑Fraktionssprecher für Industrie und Forschung, ganz richtig betonte, „[muss] die Industriepolitik der EU […] europäische Kapazitäten in strategischen Bereichen schaffen. […] Deshalb bestehen wir darauf, in Innovation zu investieren. Horizont Europa, das ehrgeizigste Forschungsprogramm der Welt, wird […] von entscheidender Bedeutung sein.“

Die Regionen müssen sich im Rahmen der Europäischen Rohstoffallianz Gehör verschaffen, um Know-how und Investitionen zu erschließen. Um die Durchführung neuer Projekte im Einklang mit den Zielen des Grünen Deals zu beschleunigen, müssen im Rahmen des Forschungsprogramms Horizont Europa innovative Lösungen zur Verringerung der Umweltauswirkungen der Rohstoffgewinnung gefunden werden. Nicht zuletzt müssen regionale Anstrengungen zur Verbesserung der Rohstoffversorgung Europas auch auf bestehenden Instrumenten wie dem Mechanismus für einen gerechten Übergang und der europäischen Kompetenzagenda aufbauen.

Fortschrittliche Städte und Regionen und progressive Kräfte im Europäischen Parlament werden dafür sorgen, dass dies mit der Förderung einer verantwortungsvolleren Beschaffung aus Drittländern einhergeht und dass auch der Abbau unterirdischer Ressourcen zur Umsetzung der Ziele des Grünen Deals beiträgt.

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